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Professor Schwienhorst-Schönberger spricht im St.-Paulus-Dom.
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Die theologischen Wellen rund um das Nein der vatikanischen Glaubenskongregation zur Segnung homosexueller Paare gehen weiterhin hoch. Die überwiegende Zahl an Theologinnen und Theologen, die sich bislang zu Wort gemeldet haben, sehen den Entscheid kritisch, orten eine unzeitgemäße Theologie und ein fatales Signal für den kirchlichen Umgang mit homosexuellen Menschen. Dessen ungeachtet zieht die Aussage der Glaubenskongregation aber auch eine theologische Fachdiskussion nach sich: Was sagt eigentlich die Bibel zu dieser Frage? Gibt es eine konsistente Haltung "der Bibel" zum Thema Homosexualität, auf die man sich auch in aktuellen Debatten berufen könnte?

Der Wiener Alttestamentler Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger macht eine solche, wenngleich ausdifferenzierte, biblische Position beim Thema Homosexualität aus. Und er kommt in einer entsprechenden Stellungnahme gegenüber Kathpress zu dem Ergebnis: "Für eine Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen in Analogie zur Ehe oder gar in Gleichsetzung mit der Ehe gibt es innerhalb der Bibel keinerlei Anhaltspunkte." Insofern stehe auch die jüngste Publikation der Glaubenskongregation und deren Nein zur Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen "auf einer soliden biblischen Grundlage". Eine Einschätzung, zu der laut Schwienhorst-Schönberger im übrigen auch die Päpstliche Bibelkommission in ihrer jüngsten Schrift zu dem Thema gekommen ist und der immerhin rund dreißig Bibelwissenschaftler aus allen Kontinenten angehören.

Biblisch begründet sieht Schwienhorst-Schönberger dies im Buch Genesis. Der göttliche Segen, von dem Gen 1,28 spricht, gelte Mann und Frau hinsichtlich ihrer auf Zweigeschlechtlichkeit beruhenden Fruchtbarkeit. Der Segen bedeute die Beauftragung zur Zeugung von Nachkommenschaft. Komplementär zu lesen sei dazu eine weitere Stelle aus dem Buch Genesis, in der es um den Aspekt der Beziehung zwischen Mann und Frau gehe. "Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch" (Gen 2,24). Sowohl die jüdische als auch die christliche Tradition erkennen laut Schwienhorst-Schönberger in der Verbindung beider Texte "die biblische Grundlage für jene Institution, die sich im Laufe der Geschichte als monogame Ehe herausgebildet hat" - und die daher einen auch theologisch unterfütterten Unterschied zu jeglicher Form homosexueller Beziehung darstellt.

Diese grundsätzliche theologische Adelung der Ehe zwischen Mann und Frau bedeute aber nicht zwingend eine biblische Abwertung der Freundschaften zwischen Männern und zwischen Frauen, führte der Theologe weiter aus. Bei David und Jonathan oder bei Noomi und Ruth etwa schildere die Bibel eine "Beziehungsqualität", die "weiter über das hinausgeht, was in einer gewöhnlichen Ehe möglich ist". Dennoch dürften diese nicht als "homoerotische Beziehungen" missverstanden werden, die auch den Vollzug sexueller Akte bedeuten. "Im Horizont biblischer Anthropologie ist es möglich, im Zusammenhang einer gleichgeschlechtlichen Freundschaft von Liebe zu sprechen. Doch diese Konstellation wird nicht mit jener Beziehung auf eine Ebene gestellt, die in einer heterosexuellen Konstellation als Ehe verstanden wird."

Damit widerspricht Schwienhorst-Schönberger u. a. auch Aussagen der Grazer Alttestamentlerin Prof. Irmtraud Fischer, die im Podcast "Diesseits von Eden" der theologischen Fakultäten Österreichs festgehalten hatte, dass "keine der großen Gesetzessammlungen, wie etwa das Bundesbuch oder das deuteronomische Gesetz (...) ein solches Verbot" kenne und daher "von einem geschlossenen biblischen Befund (...) keine Rede sein" könne.

Fischer berief sich dabei ebenfalls auf die Erzählungen von David und Jonathan sowie von Ruth und Noomi. "Das Kind, das Ruth von Boas empfängt, gebiert sie nicht für ihn, sondern gebiert sie für Noomi, und die Nachbarinnen bekennen, dass die Schwiegertochter sie liebt. Wer die Texte vorurteilslos liest, findet viele Anhaltspunkte in der Bibel, dass man gleichgeschlechtliche Beziehungen sehr wohl akzeptierte." Schwienhorst-Schönberger betont dagegen, dass die Beziehung zwischen Ruth und Noomi zwar eine sehr enge sei, jedoch nur aus der Verbindung Ruths mit ihrem Ehemann Boas ein Kind hervorgehe, "das in einer Geschlechterfolge steht, die zur Geburt des Messias führt."

Der Podcast, in dem sich u. a. Prof. Fischer zu Wort meldet, kann hier nachgehört werden.